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- Tutorial
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- Article
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- Experience
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- Uni
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title: Wie lerne ich richtig an der Uni?
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date: 2015-01-01
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Dies ist eine gute Frage. Da ich im laufe der Zeit einige Antworten gesammelt
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habe, wollte ich diese mal hier niederschreiben. Vorweg eine Warnung: **All das
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hier spiegelt nur meine persönlichen Erfahrungen aus Gesprächen wieder. Es kann
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sein, dass die z.B. für euren Fachbereich nicht gilt.** Da wir das nun aus dem
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Weg haben, geht es auch gleich los.
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## Uni ist nicht Schule
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Einige mögen sagen: "duh!", aber es ist erschreckend, wie viele Leute meinen,
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dass ihnen die Uni etwas schuldet oder das Dozenten und Tutoren dafür
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verantwortlich sind, dass man hier etwas lernt. Studium ist eine komplett
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freiwillige Veranstaltung. Man kann jederzeit sagen: "Passt mir nicht. Ich
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gehe." An der Uni wird erwartet, dass man sich ggf. einarbeitet, wenn man etwas
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nicht weiss; dass man Sekundärliteratur fragt (z.B. in Mathe auch mal in Bücher
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schaut um eine andere Erklärung zu bekommen, als der Prof an die Tafel
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geklatscht hat).
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## Etwas Lerntheorie
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Es gibt einen sehr schönen [Talk](https://www.youtube.com/watch?v=Z8KcCU-p8QA)
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von Edwand Kmett in dem er über seine Erfahrungen berichtet. Kurzum: Man lernt
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durch stete Wiederholung. Und der beste Moment etwas zu wiederholen ist, kurz
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bevor man es vergisst. Das stimmt ziemlich genau mit meiner Erfahrung überein.
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### Auswendig lernen
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Grade die oben genannte Theorie steht beim Auswendiglernen im Vordergrund. Wenn
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man etwas langfristig auswendig lernen will (Fremdsprachen, etc.), dann gibt es
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hierzu Software, die herausfindet, wann es der beste Zeitpunkt ist, dich wieder
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abzufragen: [Anki](http://ankisrs.net/) gibt es für jede Platform kostenlos
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(außer iPhone - hier 25\$, weil Apple so viel Geld für das einstellen im
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AppStore haben will). Anki ist dazu gedacht, dass man zu jedem Thema einen
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Stapel hat (z.b. Klausurfragen, Sprachen, ...) und jeden Tag lernt. Nach einiger
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Zeit wird die vorhersage der Lernzeit ziemlich genau. Anfangs beantwortet man
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noch viele Fragen täglich, aber je häufiger man die Antworten kennt, desto
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weiter hinten landen sie im Stapel. Schlussendlich kommt dieselbe Frage dann nur
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noch 1x/Monat oder noch seltener.
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Ich benutze dies insbesondere zum Auswendiglernen von Fakten, Formeln,
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Fachbegriffen etc. Bei Mathe bietet sich zum Beispiel an einen Stapel mit allen
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Definitionen zu haben; in der Biologie eine Liste der Schema und Kreisläufe etc.
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Man kann auch einen Hardcore-Lernmarathon machen. Meine letzten beiden Klausuren
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waren nur auf "bestehen" - also ohne Note. Ich habe mir eine alte Klausur
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organisiert (mehr genaues unten) und dann daraus Karten erstellt. Dies hat nur
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wenige Stunden gedauert (2-3 verteilt auf 2 Tage). Damit habe ich dann am Tag
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vor der Klausur 2x gelernt (1x nach dem Aufstehen, 1x vorm schlafengehen;
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jeweils nach 30 Minuten hatte ich alle Fragen min. 1x korrekt beantwortet). Am
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Morgen der Klausur hab ich die Fragen vor dem Aufstehen noch einmal durchgemacht
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(wieder 25-30 min), habe mir zur Klausur fertig gemacht und bin 30 Min vor der
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Klausur die Fragen nochmals durchgegangen (15-30 min), aber konnte sie
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mittlerweile alle auswendig. Insgesamt habe ich mit Anki so für die Klausur
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effektiv 2h gelernt (+2-3h für das erstellen der Karten), habe die Klausur
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geschrieben und mit einer 3.0 bestanden (also wäre 3.0 gewesen, wenn es nicht
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unbenotet gewesen wäre). Kommilitonen, die sich (nach eigener Aussage) 1-2
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Wochen auf die Klausur vorbereitet haben und eine Note wollten, schnitten
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teilweise schlechter ab (viele aber auch viel besser).
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### Methodik lernen
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Im Gegensatz zum plumpen auswendig lernen gibt es dann auch Anforderungen, wo es
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darum geht Methoden und Anwendungen zu verstehen. Inbesondere ist dies in
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Vorbereitung auf z.B. mündliche Prüfungen der Fall. Hier steht eher die Theorie
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im Vordergrund.
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Um solche Konzepte zu verstehen braucht es leider Zeit. Hier hilft kein
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48h-Lernmarathon um das "mal eben" auf die Kette zu kriegen. Am besten bereitet
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man sich das gesamte Semester über vor (haha! Als ob! :p). Das "Geheimnis" hier
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liegt in einer Kombination der Ansätze. Zum einen muss man natürlich verstehen,
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worum es geht. Hier hilft es Definitionen und Fachbegriffe z.B. mit Anki zu
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lernen. Allerdings muss man sich zusätzlich noch nach jeder(!) Vorlesung
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hinsetzen und versuchen den Inhalt zu verdauen. Dies können nur 10 Minuten sein
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oder auch 2h. Hier kommen dann Dinge zum Tragen, wie Sekundärliteratur,
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Wikipedia, Google, ... Man muss die Zusammenhänge einmal verstehen - da kommt
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man nicht drumherum. ABER: Unser Gehirn arbeitet Assoziativ. Zusammenhänge sind
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meist logisch oder krass widersprüchlich. Hieraus kann man dann z.B.
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"Stichwortketten" bauen, von denen man nur das erste auswendig lernt und von da
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aus sich an den Rest "erinnert".
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Kleines Beispiel aus der Welt der Mathematik:
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```plain
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Vektorraum -> Ist zu einer Basis definiert
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-> Basis ist die größtmögliche Zahl lin. unabh. Vektoren. Lin. Hülle der Basis ist der VR
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-> Lin. Hülle ist jede Lin.-Komb. von Vektoren
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-> Hat eine Vektoraddition und skalare Multiplikation
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-> Wird über einem Körper aufgespannt
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-> Körper sind 2 abelsche Gruppen mit Distributivgesetz
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-> abelsche Gruppe ist Menge mit K.A.I.N.
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-> ....
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```
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So kann man sich über 5-6 Stichwörter fast am gesamten Stoff der Vorlesung
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entlanghangeln und merkt schnell, wo es hakt. Hier kann man dann nochmal gezielt
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nachhaken. Auch kann man bei so einer Struktur aus jedem "a -> b -> c"
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Anki-Karten machen mit "a" auf der Vorderseite, "b" auf der Rückseite bzw. "b"
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auf der Vorderseite und "c" auf der Rückseite und so gezielt diese "Ketten"
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trainieren. Grade in einer mündlichen Prüfung hangeln sich Prüfer ebenfalls an
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diesen Ketten entlang.
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## Vorbereiten auf eine Klausur
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- Herausfinden, um was für eine Art von Klausur es sich handelt
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- Ankreuzklausur?
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- Auswendiglern-Klausur?
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- Praktische Klausur (z.b. fast 1:1 Übungsaufgaben, feste Schema, ..)?
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- Open-Book?
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- Annotation von Grafiken?
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- Klausuren von der Fachschaft organisieren
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- Falls keine Vorhanden: Altfachschaftler fragen, wie die Klausur bei ihnen
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war
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- Neue Klausur mit in die FS bringen, falls möglich (z.b. schreiend rausrennen
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und Klausur dabei mitnehmen, bevor man offiziell registriert wurde)
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Je nach Klausurtyp dann mit Anki stumpf Karten machen und auswendig lernen (z.b.
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Ankreuzklausur, Grafik-annotations-Klausur, ..) oder Übungsaufgaben/Altklausuren
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durchrechnen
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## Vorbereiten auf eine mündliche Prüfung
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- Protokolle aus der Fachschaft organisieren
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- Häufig gegen Pfand, dass man bei Abgabe eines Protokolls wieder bekommt
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- Wenn keins vorhanden für die nachfolgede Generation eins ausfüllen
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Wenn ihr einen Reihe von Protokollen vorliegen habt, dann schreibt alle Fragen
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heraus und notiert, wie häufig diese Frage gestellt wurde. So findet ihr heraus,
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auf welche Punkte der Prüfer besonders Wert legt (z.B. häufig sein eigenes
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Forschungsfeld). Diese Fragen dann restlos klären und zu Anki-Karten
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verarbeiten. Das reicht meistens für ein Bestehen. Wenn ihr auf eine gute Note
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wert legt, dann solltet ihr auch noch die Vorlesung, wie im Bereich "Methodik
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lernen" erwähnt, nacharbeiten. Insbesondere helfen hier die Assoziationsketten
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weiter den Stoff auch in der Prüfung in der richtigen Reihenfolge abzurufen.
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Vielleicht erkennt ihr solche Ketten schon aus den Prüfungsprotokollen und könnt
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euch ausmalen, wie man z.b. von da aus auf andere Themen der Vorlesung kommt
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(die z.b. neu sind oder überarbeitet wurden).
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### Unterschiede mündliche Bachelor/Master-Prüfungen
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Einige Dozenten machen unterschiedliche Anforderungen, ob sie einen Bachelor
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oder einen Master-Studenten prüfen. Abgesehen von der anderen Prüfungszeit
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(15-30min bei bachelor, 25-45 bei Master) ist hier auch das Vorgehen anders. Bei
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einem Bachelor wird klassischerweise alles oberflächlich abgefragt und nur wenig
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in die Tiefe gegangen. Bei einem Master wir nur noch stichpunktartig gefragt,
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dafür aber bis ins Detail.
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Beispiel: Ich hatte eine mündliche Masterprüfung, bei der in der Vorlesung 7
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verschiedene Themen behandelt wurden. In der Prüfung wurden dann nur die
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Themenübersicht abgefragt und bei 2 Themen komplett in die Tiefe gegangen -
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inkl. Formeln, Bedeutung, Übertragung auf in der Vorlesung nicht angesprochene
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Aspekte etc. Die anderen 5 Themen kamen nicht dran. Bei meinen Bachelorprüfungen
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war das eher umgekehrt: Hier wurde sich grob an der Vorlesung entlang gehangelt
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und zumindest alles einmal kurz angetestet, ob die zentralen Inhalte der
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Vorlesung verstanden wurden.
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Dies hat häufig auch damit zu tun, dass man im Bachelor eher Grundlagen hört und
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somit ein grobes Verständnis aller Dinge wichtig ist, während im Master auf die
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Aneignung von Tiefenwissen ankommt.
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## Prüfungsangt
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Zu guter Letzt noch ein paar Worte zum Thema Prüfungsangst. Es ist normal, dass
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man vor einer Prüfung angespannt ist. Es ist nicht normal, wenn die Anspannung
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so ausartet, dass man sich übergibt, Krämpfe bekommt oder ähnlich starke
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Symptome zeigt. Ich leide selbst an solchen Problemen und habe mich schon
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mehrfach vor Prüfungen übergeben. Eine klassische Konfrontationstherapie
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funktioniert aufgrund der Seltenheit der Prüfungen nicht oder nur sehr schwer.
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Ich habe mich an meinen Arzt gewendet und habe nun genau für solche Situationen
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ein Medikament. 1-2h vor einer Prüfung nehme ich das und komme in einen
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komischen Zustand. Ich merke zwar noch, dass ich Angespannt bin und eigentlich
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Angst hätte, aber es "stört" mich nicht wirklich. Es versetzt mich nicht in
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Panik oder sonstwas. Es schaltet mein Gehirn nicht aus oder hat andere negative
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Effekte. Natürlich geht das auch mit Nachteilen einher: ein paar Tage keinen
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Alkohol, kein Auto fahren, etc. - Aber meist ist das ja nur 2-3x/Semester der
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Fall. Wenn man nicht so stark betroffen ist, dann ist davon allerdings
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abzuraten. Das Medikament gleicht die Panik durch Gelassenheit aus - wenn man
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keine Panik hat, dann wird man hierdurch so "gelassen" dass man mehrere Stunden
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einschläft - was in einer Prüfung vielleicht nicht ganz so gut ist ;)
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Es gibt auch zahlreiche Regularien und Rechtsansprüche, die ihr bei sowas habt.
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Ihr habt zum Beispiel (sofern ein (Amts?-)Arzt eine Prüfungsangst bestätigt hat)
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Anspruch auf mehr Prüfungszeit, die Prüfung alleine abzulegen (z.b. bei einem
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Mitarbeiter, während andere im Hörsaal schreiben), eine mündliche durch eine
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schriftliche zu tauschen (oder umgekehrt), etc. Das kann man individuell mit dem
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Prüfer absprechen. Ich weiss nicht, wie das in anderen Fakultäten läuft - aber
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in der Technischen Fakultät hat fast jeder Prüfer dafür volles Verständnis
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(einige litten sogar früher selbst an sowas).
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Die kostenlose psychologische Beratung an der Uni (aka. "Das rote Sofa" im X)
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bietet hier auch Hilfestellung bei und vermittelt in schwereren Fällen auch
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gleich noch eine Therapie/Ärzte. Hier kann man z.b. Prüfungssimulationen
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abhalten oder sich Hilfe holen, wenn ein Dozent sich querstellt. Die Mitarbeiter
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begleiten einen z.B. auch zu einer Prüfung (nach Absprache mit dem
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Veranstalter), falls das hilft, etc.
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Es ist keine Schande so ein Problem zu haben und es gibt genug, die sich damit
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rumschlagen. Aber man ist hier an der Uni auch nicht alleine damit. Es gibt
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zahlreiche Hilfsangebote.
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## Schlusswort
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Viel Erfolg bei euren Prüfungen. Falls euch dieser Artikel geholfen hat oder ihr
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noch Anregungen/Verbessenguswünsche habt, schreibt mir einfach.
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